Neun Tage, nachdem wir unsere Überfahrt nach St. Lucia begonnen haben, düsen wir wieder mal mit bis zu 13,5 Knoten unter Sturmspi durch die Wellen. Das Wasser ist blau, ab und zu besucht uns ein Tropikvogel und die Stimmung ist bestens. Damit es nicht allzu langweilig wird, wenn wir immer nur aus dem Alltag im Wachsystem berichten, soll es im heutigen Beitrag mal um einen Tag aus der Perspektive des Smuts gehen. Wie man aus den letzten Beiträgen vielleicht herauslesen konnte, spielt das Essen an Bord eine entscheidende Rolle. Ist das Essen gut, ist auch die Stimmung gut. Als Smut trägt man also eine gewisse Verantwortung, die nicht zu unterschätzen ist.
Zunächst eine kurze Erläuterung für diejenigen, die mit dem Wort bisher nichts anfangen können: Der Smut ist der Koch an Bord und wechselt bei uns täglich. Das hat den Vorteil, dass man nach dem Smuten in die andere Wache wechselt und so die Chance hat, mit möglichst vielen verschiedenen Mitsegelnden mal in einer Wache zu segeln. Aber von Anfang an. Morgens wird man zum Frühstück geweckt. Das ist allgemein eine sehr schöne Sache an Bord: Man wird zwar nach wenig Schlaf geweckt und zu Zeiten, zu denen man eigentlich freiwillig nicht unbedingt aufstehen würde, aber dafür passiert das oft deswegen, weil die nächste Mahlzeit ansteht. Wenn alle mit dem Frühstücken fertig sind, beginnt die Arbeitszeit des neuen Smuts damit, dass er die Tische abräumt und Wasser aufsetzt, damit die Vormittagswache heißes Wasser für den Abwasch hat.
Dann geht es los mit dem Freizeitstress, denn bis es an die Vorbereitung des Mittagessens geht, hat man keine Aufgabe. Der Smut ist nämlich wachfrei, damit er sich mit voller Energie um die Zubereitung der Mahlzeiten kümmern kann. Soll man jetzt also schlafen, lesen, Tagebuch schreiben, sich zur Wache an Deck setzen, Musik hören, oder vielleicht von allem ein bisschen? Auf jeden Fall kann man seine Freizeit frei gestalten, bis man sich die ersten Gedanken über das Mittagessen machen muss. Das soll natürlich pünktlich um 13:30 Uhr serviert werden. Immerhin muss man sich keine großen Gedanken machen, was man kochen will, denn der Speiseplan steht schon fest und beinhaltet Gerichte wie Kartoffeln mit Kräuterquark, Pasta al Limone oder Linsendal. Zu Hause würde man vielleicht frühestens eine Stunde vorher mit den Essensvorbereitungen beginnen, aber hier auf See lohnt es sich, schon 2-3 Stunden vorher anzufangen. Zutaten für eine Mahlezit zu schnippeln, von der 12 Leute satt werden sollen, dauert nämlich so seine Zeit. Und dann kommt natürlich noch das Suchen der Zutaten auf einen zu. Wo könnten sich wohl die Kichererbsen verstecken? In welcher Bilge oder hinter welchem Schapp findet man Öl, wenn die angebrochene Flasche fast leer ist? Und wo im Kühlschrank wurde zuletzt ein Stück Parmesan gesichtet? Sind alle Zutaten zusammengesammelt, kann das Kochen beginnen. Dabei besteht die größte Herausforderung darin, sich aufrecht zu halten und nicht am Topf zu verbrennen, wenn sich der Peter in der Welle mal in die eine, mal in die andere Richtung neigt. Zeitgleich muss man auch noch aufpassen, dass man beim Öffnen jeglicher Schapps nicht von Konserven oder Tupperdosen erschlagen wird oder Gewürze ihren Weg ins Essen finden, die da eigentlich gar nicht hineingehören. Und dann natürlich die große Frage: Wird das Nudelwasser, das man extra eine Stunde vorher aufgesetzt hat, rechtzeitig kochen?
Ist einem all das gelungen und das Essen einigermaßen pünktlich fertig geworden, wird man mit der Dankbarkeit der Crew belohnt und kann der aufziehenden Wache das Schlachtfeld in der Pantry überlassen, denn wer gekocht hat, muss natürlich nicht spülen. Vielleicht steht danach noch eine Bananen-Vernichtungsaktion an, also die Produktion eines Bananenbrots oder einer Bananenmilch. Ansonsten stellen sich am Nachmittag die gleichen Fragen zur Freizeitgestaltung wie schon am Vormittag. Zwischendurch freut sich die Nachmittagswache, wenn der Smut gegen 16 Uhr einen Nachmittagskaffe oder Tee bereit hält, und dann geht es gedanklich schon wieder an die Vorbereitung des Abendessens. Die Vorbereitungen dessen sind aber nicht ganz so aufwändig wie die des Mittagessens, sodass der Smut auch Zeit hat, gegen 18 Uhr zum Sundowner mit den anderen an Deck zu sitzen. Nach dem Abendbrot muss dann nur noch schnell der Tisch abgeräumt werden und dann beginnt das Highlight des Smutens: Eine ganze Nacht ohne Nachtwache! Der Smut kann nämlich die ganze Nacht durchschlafen (vorausgesetzt, es soll nachts kein Spi geborgen werden oder ähnliches, dann wird man als Smut nämlich als erstes geweckt).
Am nächsten Morgen lässt man sich dann gegen 6 Uhr wecken, um das Frühstück vorzubereiten. Wenn man die Nachtwachen ordentlich instruiert hat, kann man direkt nach dem Aufstehen ein frisch gebackenes Brot aus dem Ofen ziehen. Den Rest der Zeit bis 7:30 Uhr verbingt man dann damit, im Kühlschrank nach Marmelade zu tauchen, Obstsalat zu schnippeln und der Wache vielleicht schon mal einen Kaffee nach draußen zu bringen, um die Wartezeit auf das Frühstück zu versüßen.
Und dann, wenn alle gefrühstückt haben, ist die Zeit als Smut auch schon um und man schließt sich der Vormittagswache an. So ein Tag als Smut ist zwischendurch mal ganz schön, aber wenn man dann wieder draußen mit anpacken kann, ist das auch wieder nett.
Sehr kurze Kurzzusammenfassung:
Datum und Uhrzeit: 29.11.2022, 19:40 Uhr
Position: 16°10,4’ N, 041°59.6‘ W
Stimmung an Bord: entspannt und gut
Jette