Karamell-sur-Mer

Endspurt! Wir hatten es durch die verrückte Frachterpassage geschafft und waren nun frohen Mutes die letzten 30 Meilen nach Brest so schnell, wie möglich zurückzulegen. Allerdings machten sich schon erste Befürchtungen breit: „Werden die Norweger uns wirklich ganz bis zum Festland schleppen? Vielleicht haben die ja gar keine Lust mehr auf uns…“. Aufgrund dieser Angst sagten wir auch nicht Bescheid, als wir uns wunderten, dass die Geschwindigkeit von vier auf weniger als drei Knoten gedrosselt wurde. Damit würden wir ja nie rechtzeitig ankommen! Gegen Mittag war es dann aber doch soweit: die Serendipity bat uns darum, ihnen beim Säubern ihres Propellers zu helfen. Sofort machte sich Michael bereit heldenhaft den Rumpf des Retterschiffs abzutauchen und fischte eine ordentliche Portion Seegras hervor. Nach dem kurzen Badevergnügen waren jegliche Zweifel beseitigt, die Norweger würden uns bis Camaret-sur-Mer mitziehen. Daraufhin fingen wir an zu überlegen, worüber sie sich am meisten freuen würden. Ein paar Stunden später wurde das erste Land gesichtet. Ein aufregender Moment, der anhielt, bis wir angelegt haben sollten.

Vor meiner letzten Wache holte Jule noch ihr neu erworbenes Bingo heraus und der neue Rentnerclub war in den Bann gezogen:“54!“ „Oh man, ich hab schon wieder keine…“ „Ha, ich hab zwei!“ „Boah, du hast so ein unverschämtes Glück ey“, war die Standardabfolge der Konversation nach jeder Losung. Aber nun war Konzentration gefragt, wir erreichten die Steilküsten vor Camaret. Im Sonnenuntergang wurden die Klippen orangerot bestrahlt und nahegelegene Sandbänke erzeugten aus dem nichts hohe Wellen. Und dann war da noch der Tradi, der unserem Schleppverband partout nicht ausweichen wollte. Ist aber alles gut gegangen :). Wir überlegten in Ruhe, wie wir bei weiterhin andauernder Flaute geschleppt anlegen könnten. Der Motor war bekanntlicherweise ausgeschlossen und die Segel bringen nur minimalen Vortrieb (der Schwachwind hielt weiterhin an vgl. letzterBeitrag). Trotzdem entschieden wir uns dafür die Fock und das Groß bereitzuhalten. Im Endeffekt machte unser Schleppverband kurz vor dem Hafen halt und das Powerdinghy der Serendipity brachte uns sicher zum Steg.

Geschafft, der Atlantik war nun vollkommen überquert. Wie fühlt sich das an? Für mich war es ein Gefühl von Stolz, Erleichterung und eine Wärme, die ich noch nie zuvor gespürt habe. Vielleicht fühlte ich einen großen Schritt in Richtung Heimat gemacht zu haben. Aber wir haben gar nicht lang an uns gedacht, sondern machten uns direkt nach dem Klarieren des Schiffs auf den Weg zur Serendipity, um unserer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Unsere euphorische Meute hat sich großzügig bedankt und wir luden unsere Retter zu einem Restaurantbesuch ein. Die Crew war aber noch nicht ausgelastet, also machten wir noch den Ort unsicher, dabei checkten wir ein paar Bars aus und trafen dabei auf Dänen, die wir auch schon aus Horta kannten.

Da es schon spät war und die Hälfte der Crew sich am nächsten Tag früh auf den Weg machen musste, verabschiedeten wir uns schon vor dem zu Bett gehen. Am Morgen erfuhr ich, dass alle ihre Anschlüsse bekommen haben und konnte mich beruhigt auf den Weg machen, um einer meiner Lieblingstätigkeiten bei Seereisen nachzugehen (das habe ich wirklich sehr vermisst): früh morgens Brötchen holen und dann sogar Croissants und Baguette. Besser gehts wirklich nicht. Ich kann nicht sagen, ob es am guten Frühstück lag, aber die Motivation das Schiff sauber zu machen war enorm. Ohne Scheiß! Ich habe noch nie erlebt, dass das Schiff so schnell und effektiv gesäubert wurde. Allerdings ist zu erwähnen, dass bestimmte Teile des Schiffs von den Abgereisten schon vorher fertig gesäubert wurden. Jedenfalls konnten wir dadurch schon am frühen Nachmittag etwas Freizeit genießen und erste Stadterkundungen und Duscherlebnisse bestreiten. Anschließend war es Zeit für das wirklich sehr konversationsreiche Abendessen mit den Norwegern. Als hätten sie uns gerochen trottete auch schon ein Großteil der neuen Crew an uns vorbei, natürlich mit ordentlicher Begrüßung. Nach dem Festmahl aus der französischen Küche begaben wir uns zurück zum Schiff und feierten den Beginn der neuen Etappe.

Es gab allerdings noch ein, zwei Probleme: das Motorersatzteil fehlte noch und das Großsegel hatte eine Reparatur vor sich. Beides sollte sich prinzipiell als nicht schwierig zu lösen herausstellen. Das Großsegel wurde dank neu mitgebrachter Mittel aus Kiel von unserer jetzt nun schon fast Teilzeitsegelmacherin Jule und ihren wechselnden Co-Workern Malou, Jacob und Jette verarztet. Das Ersatzeil war schon bestellt und sollte theoretisch Montag ankommen. Aber was wäre diese Reise schon ohne das Warten auf Ersatzteile?

Camaret und Umland hat aber zum Glück einiges zu bieten. Die anfangs erwähnten Klippen wurden auf der gleichen Route bewandert, wie auch schon auf Etappe 2. Diesmal allerdings im leichten Niesel. Am Ende der Route wartete ein Café mit Blick auf die Biskaya auf uns. Der idyllische Weg durch ein kleines Wäldchen und anschließender Ortsschlenderei schlossen den Ausflug ab. In den kommenden Tagen wurde weiter fleißig repariert und erkundet. In der Hoffnung, dass das Ersatzteil schon da sei, machte sich eine Truppe mit dem Bus auf den Weg nach Brest, um leider mit leeren Händen (abgesehen von den neuen Klamotten und anderem Kleinkram fürs Schiff) zurückzukehren. Währenddessen war die andere Hälfte mit dem letzten Großeinkauf der Reise beschäftigt. Im Gegensatz zu den letzten Etappen war dieser ein echter Genuß. Es gab preiswertes, leckeres, frisches Essen, welches nach und nach von unserem Chefsmut Alard verarbeitet werden sollte. Der Supermarkt bedankte sich sogar mit einer Kiste Rotwein.

Am Dienstag war das Paket leider immer noch nicht in greifbarer Nähe. Also machten wir uns einen weiteren schönen Hafentag. In verschiedenen Gruppen unterwegs schlenderten wir durch die Ateliergassen Camarets, machten weitere Ausflüge zu den Klippen und Stränden oder betrachteten die Umgebung vom Fahrrad aus. Ich persönlich habe mich zu den Ateliers hingezogen gefühlt. Besonders gefallen haben mir maritime Kohlemalten auf lokalen Holzfassüberbleibseln und kleine Boxen mit diversen Motiven, bei denen einem erst bei näherem Hinsehen auffällt, dass hier mit Knete gearbeitet wurde und das Werk demnach sogar 3 Dimensionen hat (sämtliche Kunst war natürlich unbezahlbar). Am Nachmittag bekamen wir auch noch die Gelegenheit ein bisschen Blödsinn zu machen. Auf dem Programm stand vom Spibaum springen und hinterher sich mit dem Spifall à la Tarzan ins Wasser schwingen zu lassen. Dabei wurden die wildesten Backflips und Pirouetten ausprobiert. Zum Abendessen wurden wir von Alard zu einem feinen Fischdinner eingeladen. Vielen Dank für dieses Geschmackserlebnis! Nach dem Dinner wurde der Schlachtplan von Tillman präsentiert und wir ließen den letzten Abend in Camaret mit Cidre ausklingen.

Das Paket ist da! Am Mittwoch Morgen konnten wir jetzt endlich mit der Abreise rechnen. So fuhren also Jette und ich mit dem Bus nach Brest, nachdem wir bei unserem Lauf zum Supermarkt eine Absage für das Mietauto bekamen. Naja, fit waren wir jetzt und mit einem schnellen Crepe und Apfel gestärkt fuhren wir durch die schönen Täler der bretonischen Küste, um dann in der Stadt das Ersatzteil zwei mal abzuholen (fragt nicht). Da wir schnell zurück wollten überlegten wir uns viele Möglichkeiten, um zurückzukommen. Dabei dachten wir sogar darüber nach mit anderen Segelbooten nach Camaret zu trampen. Nun ja, es lief auf eine sehr teure aber erholsame Taxifahrt hinaus.

Beim Schiff angekommen, wurde das Teil eingebaut und sorgfältig getestet. Läuft. Perfekt, dann müssen wir nur noch alles seeklar machen und Tanken. Um 21 Uhr befanden wir uns auf See und gaben Rasmus, was er sich verdient hatte.

Bene

gekaufte Klamotten: zu viele
konsumierte Croissants: mindestens 30
Abgebrochene Nähnadeln: 2

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