Aus dem Blickwinkel eines alten (See-)Sackes – Ostende bis Camaret-sur-mer (von Kay Bonow)

Crew: Aus der ersten Etappe, jetzt schon abgereist, Fritz Buchholz (WF), Albert von Doetinchem, Hanna Rückert und Ottfried Thümmel, Stoni (S), Luis und Norbert habe ich nicht mehr gesehen.

Aus der zweiten Etappe Svenja Andreas, Antje Dreier, Peter Dreier, Chris Emeis, Bene Fiedler, Ulv Gaethje (S), Nina Huber, Harald Markus, Jule Peter, Enno Schieferecke, Maylin Stein und Kay Bonow (WF/S auf E1, 2. Hälfte),

Ich weiß nicht, ob Ihr Euch nun graust, dass ich mal wieder einen Blogeintrag schreibe oder ob Ihr Euch darüber freut. Egal, da müsst Ihr durch, da habt Ihr keine Wahl. :O)

Ich hänge zwischen den Etappen, da ich erst in Ostende an Bord kam und die zweite Etappe läuft ja auch gerade eben erst. Für mich war’s ein guter Start, da alle Züge pünktlich genug fuhren und in Ostende am Bahnhof erwartete mich unerwartet aber pünktlich ein kleines Empfangskommitee der Crew, inklusive Gepäckservice. Abends noch Fisch essen über’m Hafenbüro und gleich am Morgen darauf konnten wir los, tideunabhängig, da auch bei Ebbe überall genug Tiefe im Hafen war (auch Dank Stoni !) Auch Strömung war da noch nicht so das Problem.

Den Zielort hatten wir am Abend zuvor per Telefonkonferenz mit Barny geklärt, der mit seinem Schiff irgendwo in Irland vor Anker lag, Bescheid wusste und das Wissen teilte  – er hat die Theorie aus dem Internet betätigt: Das Vereinigte Königreich verlangt zur Einreise per Schiff vorherige Anrufe bei der Border Force, danach ist immer noch nicht klar, ob man darf und wie man darf und irgendwie üben die netten Menschen auf der Insel wohl noch mit ihrer neuen Einreisekontrolle. Is‘ ja ihr Ding, aber ich bin wahrlich kein Fan des Brexit. Cowes entfiel also und die Bildungslücke muss die Jungcrew auf der Rückreise schließen. Dann geht vielleicht die Einreise einfacher.

Alternativziel war St. Peter Port, wir blieben also im Kanal südlich des Verkehrstrennungsgebietes. Da ist’s zwar etwas schmaler als im Norden und die Sände machen etwas blöde Welle, aber man muss das VTG und den gesammelten Verkehr außenrum nicht zweimal kreuzen. Außerdem hatten wir durchgängig Backstagsbrise. Etwas mussten wir vor’m Wind kreuzen und mit kleiner Crew war das nicht das reine Vergnügen, aber gegenan wäre deutlich weniger schön gewesen.

Für Guernsey muss der Skipper nur zwei Formulare ausfüllen – genaugenommen das gleiche doppelt wg. zu großer Crew. Sobald man das dann in den Immigration-Briefkasten oben an der Pier einwirft, ist man eingereist. Zeitgleich darf man die Quarantäne-Flagge einholen und den Gastlandstander setzen. Immerhin hat sich damit das kurzfristige Beschaffen eines neuen Reisepasses auch gelohnt. Den verlangen sie auf den Kanalinseln mittlerweile auch, sehen wollte das aber diesmal keiner. Danach war eigentlich alles wie immer, Pub-Crawl inklusive. – Mich hat auf der Südseite des Hafens ein flaches Wasserbecken beeindruckt: Gegen Kriegsende eigentlich für Modellboote gebaut, wird es jetzt täglich für die Ausbildung des Segelnachwuchses mit einer Art Optis genutzt, unterstützt durch Segellehrerinnen und -lehrer, die dabei durch’s Becken waten, Wasser bis zum Mors, und alle hatten einen Riesenspaß. Kannte ich so noch nicht. –

Die Insel ist ansonsten immer noch teuer, aber eben schön. Alle haben ´was davon gesehen und waren’s zufrieden, denke ich. Eine sehr merkliche Erleichterung gab es allerdings, denn – tataaaa – die Schwimmpontons haben neuerdings Landverbindung. ´geht jetzt alles ohne Dinghi. Three cheers – und nach einem Hafentag ging es weiter Richtung Frankreich.

Nach Zeitfenster und Wetterbericht sind wir dann ohne Zwischenstopp weiter nach Brest gesegelt, immer noch mit Wind von irgendwie achtern bis knapp 30 kn Wind und auch noch etwas eierig. Es blieb anstrengend. Im ersten Brester Hafen – Marina du Chateau – wollte man uns nicht, da voll. Im zweiten – Marina du Moulin Blanc – hatte man zwar noch ein wenig Platz, uns passte aber das Hafenbecken im Norden wegen des Tiefganges nicht. Es wurde von irgendwem auf Funk kurz unfreundlich – im Sinne von „selber schuld, ist ja Euer Tiefgang“ – aber dann gab’s Platz an der Außenpier für uns und das hat ohne jegliche Grundberührungen im Hafenschlick geklappt. Sämtliches Personal im Hafenbüro war dann durchgängig alle Tage sehr freundlich und hilfsbereit. Wir waren erstmal sehr erholungsbedürftig und einiges aufzuräumen gab’s auch. Großer Dank einmal mehr an Uli Münker, der wie so oft sehr beim Besorgen von Ersatzteilen und anderem Nachschub geholfen hat. Crewwechsel, Einkauf für die zweite Etappe usw. ging Dank vorzeitig angereister Familie Dreier mit ihrem Mietauto prima und dann war endlich ein wenig Zeit für echten Landgang. Für den Blog war da noch keine Zeit, ich brauche immer erstmal Ansichtskarten und Briefmarken für die Post an meine Frau. Mit ihr habe ich meinen ersten und älteren Lebensbund – sie hat eindeutig Vorrecht. Für Ausflüge ist Brest nicht so der Ort, aber das Oceanopolis hat einigen von uns sehr gefallen. Andere haben in der Innenstadt noch Nettes gefunden und Fahrradausflug ans Südufer geht auch.

Ein Sturm über der Biskaya hielt und hält uns leider in der Region fest, der Wind kommt seit einiger Zeit und voraussehbar weiterhin aus südlichen Richtungen – und das in Stärken, bei denen wir nicht auf See hinaus wollen. Immerhin konnten wir Montag 10 Meilen westlich nach Camaret-sur-mer verholen, nachdem uns das Brester Marinabüro einen Platz hier reserviert hat. Die sprechen einfach besseres Französisch. – Camaret ist ein nettes Urlaubsörtchen mit Kneipen und Läden an der Hafenpier, nicht zu malerisch, aber mit wirklich sensationellen Aussichten auf dem Weg raus zum Leuchtturm – flacher Heide mit Erika und Ginster in Blüte und Schlehenbüschen übervoll mit Früchten, steinzeitlichen Steinreihen, tobender Brandung, Sandstränden, steilen Kliffkanten, Felsen im Meer, rollenden kiloschweren Steinen am Ufer … Einfach geil!

Jetzt reicht’s dann aber auch und mit abflauendem Sturmwollen wollen wir – wahrscheinlich morgen früh – Richtung Spanien auslaufen.

Und damit hätte das Grausen auch ein Ende – bis auf das Gerücht, man habe gefragt, ob ich nicht mal wieder eine PeterchenPost schreiben könnte. Kann ich, mach ich aber erst, wenn ich aus Lissabon zurück bin.

(Für die und mit Grüßen von der Crew: Kay)