Emissionsreduktion vor Brest

Was kann es noch schöneres geben, als eine Tageswache voller Delfine und Wale? Genau! Eine gute Mütze Schlaf. Ob es die wohl für alle an Bord gab? Das Schiff lag schließlich ziemlich ruhig bei spiegelglatter See. Das dauerhafte Motoren zerrte aber doch am Seglerherz…und nicht nur an diesem, aber dazu später mehr.

Normalerweise könnte man sich gut darauf einigen, dass die 4-8 Uhr Wache die Härteste ist, heute war sie jedoch schon fast als Tagwache zu sehen, da schon kurz nach Wachbeginn die Sonne aufging. Wir haben die Zeit noch gar nicht umgestellt.
Aber was ist schon Zeit nach so viel Atlantik? Das kann ruhig noch ein paar Wochen so weitergehen…das Wetter spielt auf jeden Fall schonmal mit.

Wie sieht es denn eigentlich aus mit dem Wind? Das Herunterladen von etlichen GRIB-Files treibt ihn leider auch nicht an. Dafür gab es endlich mal wieder etwas mehr Sonne. Ich persönlich habe versucht mich schon wieder an das heimische Klima zu gewöhnen und es klappt schon ziemlich gut. Viele von uns Langfahrerinnen und Langfahrern frieren trotzdem noch im warmen Ölzeug und Pullover an Deck, während ich schon in kurzer Hose und T-Shirt das Wetter genießen kann.

Um 11 Uhr wurde ein obligatorischer Motorcheck durchgeführt und wir entschlossen uns jetzt endlich mal im Atlantik baden zu gehen. Die Sonne schien von oben herab, Temperatur angenehm warm, das Wasser tiefblau-transparent und Meeressäuger in 300m Entfernung. Was will man mehr? Genau: Seife. 15 Minuten Zeit gab es offiziell vom Schiffer für den Badestop und ja, es wurde mehr draus. Wer also wollte (alle) genoss das kühle Nass, aber wehe ihr blockiert nochmal die Leiter! (-Alfred). Je nach persönlichem Empfinden war das kühle Nass fast kühler als es nass war, denn inzwischen sind wir doch recht weit nördlich. Als fast alle fertig waren, gab es noch eine kleine Fotosession im Wasser für Malou und Jule, bevor dann doch eine Qualle vorbei schwamm.

Nach so einem Badespaß hätten sich Michael und ich uns über einen netten Strandkiosk mit Pommes gefreut. Jule zauberte uns aber auch etwas ebenso feines: Bruschetta und Quesadillas machen Pommes schon gute Konkurrenz. Wer will nahm noch Baked Beans dazu, ist aber nur für echte Feinschmecker. Aber Moment, was unterbricht mich da während meines Festmahls? Ein Ruf von oben! Delfin? Nein…Wal?! Ne, auch nicht…Hai! Wir haben tatsächlich unseren ersten Hai gesichtet. Nur ein zwei Mal streckte er kurz seinen Rücken aus dem Wasser. Trotzdem war es ein atemraubender Moment und man merkt immer wieder: Rufe nach Walen (und Haien) funktionieren einfach besser als der Ruf nach „All hands“.

Flau wie es war (1 Knoten wahrer Wind) begann die entspannteste Wache der Atlantiküberquerung: spiegelglatte See, warme Sonne von oben, gute Musik, Kaltgetränk. Wenn jetzt noch dieses blöde Motorgeräusch aufhören würde…
Oh man, ein Blick aufs AIS verrät mir aber irgendwann, dass die Wache doch nicht so entspannt werden würde. Wir sind nämlich kurz davor eine breite Route von großen Frachtern zu durchqueren, die aus dem Verkehstrennungsgebiet weiter nördlich von uns geschossen kommen und hier auf dem Weg von Nordeuropa nach Asien die Biskaya überqueren. Das Fernglas wurde nicht gescheut und das AIS war unser bester Freund. Für alle, die es noch nicht erleben durften: Distanzen und Zeit auf dem Wasser wirken immer deutlich größer, als sie im Endeffekt doch sind. Nicht umsonst ist wirklich das Minimum des Passierabstandes zu großen Schiffen eine Seemeile. Das macht das Manövrieren durch eine so breite informelle Schiffsroute nicht einfacher. Will man dem einen Schiff ausweichen, stellt sich der Kurs vom nächsten Schiff schon quer. „Wir haben ja noch eine halbe Stunde, bevor wir den passieren“, jedoch müssen Entscheidungen meist in wenigen Minuten getroffen werden, damit die
Kursänderungen dem Gegenüber klar erkennbar sind.

Nachdem wir nun den ersten Block Schiffe von Backbord passiert hatten, lagen noch ein paar Meilen Schiffsverkehr vor uns. Auf einmal merkte Jule von unten an, dass der Motor seltsam klinge. Ulv schaute sofort nach und ich befürchtete Schlimmes. Die entspannteste Wache wurde auf einmal zur stressigsten Wache: „Motor aus!“ Sofort gingen wir Maschine Null und Motor aus. Was war passiert? „Noch unklar, mach mal wieder an“, Maschine gingan, aus diversen Mündern hörte man nur wieder: „AUS!“. Maschine ging aus. Ok. Problemsuche: Öl? Nein. Batterie? Auch nicht. Oh, Kühlwasser war wärmer als sonst, aber noch unter alarmierender Temperatur. Das beobachteten wir weiter. Frida und Ulv hockten nun vor dem Motor und begutachteten, wo es ging.
Währenddessen machte sich bei mir schon ein Unbehagen breit. „Was machen wir denn jetzt ohne Motor? Wir sind in dieser Schiffsroute ohne jegliches Antriebsmittel gefangen…“
Wir sollten natürlich die umliegende Schifffahrt davon in Kenntnis setzen. Gemeinsam mit Michael (den ich leider aus seinem verdienten Schlaf reißen musste, sorry!) machten wir uns daran die anderen Schiffe über unsere Lage zu informieren und entwickelten Pläne für weiteres Vorgehen.
Nach diversen Checks, kam noch ein letztes Mal: „Motor an“, Motor ging an und sofort war ein ungesundes Geräusch zu hören: „MASCHINE AUS“, Maschine aus. Scheiße gelaufen, die Kühlwasserpumpe hatte es erwischt. Genauer gesagt, das Lager der Welle ist zerstört. Das ist an Bord nicht zu reparieren. Trotzdem
machte sich Frida direkt daran die betreffenden Teile auszubauen.
Mittlerweile war das gesamte Schiff wach und Hanna entdeckte ein weiteres Problem: eine Segellatte, gelöst vom Mastrutscher scheuerte bedenklich stark am Mast und an der Mastrutscherschiene, sodass man schon klar blank geschliffene Stellen erkennen konnte. Bei stehendem Segel wäre das noch auszuhalten, der leichte Schwell ließ das Segel aber unaufhörlich am Mast reiben. Als Maßnahme wurde also das Trysegel gesetzt, um unsere Sichtbarkeit zu gewährleisten, während das Großsegel zur Reparatur geborgen wurde.

Da unsere Lage nun eindeutig war, konnten wir weitere Maßnahmen in die Wege leiten. Der Schiffsfunk erhielt eine Nachricht über unsere Manövrierunfähigkeit und wir machten uns auf die Suche nach einem geeignetem Schlepper in der Nähe. Die ersten Schiffe wollten uns nicht anworten, ist auch irgendwie verständlich. So weit draußen, bei bestem Wetter. Das sollen die mal genießen!
Wie auch immer, wir setzen Signale, um erkannt zu werden und bereiteten uns auch auf eine Nacht des Umhertreibens vor, als auf einmal die 11 Meter Segelyacht Serendipity sich meldete! Halleluja, in zwei Stunden sind sie da! Mit der Besatzung dieser norwegischen Yacht hatten einige der Angereisten schon auf den Azoren am Flughafen gesprochen und unterwegs hatten wir auch schon einmal freundlichen Funkkontakt. Es war nun etwa 17 Uhr und am Großsegel wurde repariert, die Schlepptrosse professionell ausgebracht, an den Funkskills weiter gearbeitet und die Kühlwasserpumpe war schon fast ausgebaut. Machte doch irgendwie auch ein bisschen Spaß.
Nun zum erfreulichen Teil: es wurde an das Vorbereiten vom Abendessen gedacht. Der Erbseneintopf weckte wieder Lebensgeister bevor die Serendipity an unserer Steuerbordseite auftauchte. Mit einem eleganten Schlenker fuhren sie mit ihrem Heck an uns heran und nahmen unsere Trosse an. Als der Peter wieder Fahrt aufnahm, war wieder ein Stück Sicherheit da. Wir würden in absehbarer Zeit in Brest ankommen. Mit gemütlichen drei Knoten fuhren wir also als Geschleppte durch die Frachter und es wurden nicht weniger. Verrückte Kapitäne jeder Nationalität hielten es nicht für nötig bis 500m Entfernung ihren Kurs anzupassen. Durch Nerven per Funk konnte dem nachgeholfen werden.
Die Stimmung an Bord ist trotz und vielleicht aufgrund der ganzen Aufregung wieder top. Wir haben innerhalb weniger Stunden große Probleme auf ASV-Art lösen können: Improvisation. Was wird als nächstes passieren? Wir werden ankommen, irgendwie und irgendwann, mit etwas Glück sogar gerade rechtzeitig, dass die Abreisenden ihre Züge und Flüge erwischen.

Bene

Pos: 48°08,2’N ; 005°42,1’W
Stunden geschlafen: Nein
Frachter, denen wir ausgewichen sind: Ja

 

 

Unser Peter wird abgeschleppt…